Die Beschwörung von Carmen


Es war ein dunkler, nebliger Halloweenabend, als ich mit meinen Kolleginnen loszog, um im Wald zu übernachten. Abigail, Emilia und ich hatten dies schon lange zuvor geplant und uns auf diesen aufregenden Tag gefreut, denn wir hatten an Halloween noch nie so etwas Aufregendes erlebt.

Es war ungefähr acht Uhr abends, als wir mit unserem Gepäck loszogen. Als wir ankamen, war der ganze Boden feucht durch den Nebelschleier, darum legten wir eine Plastikblache auf den Boden, um das Zelt darauf aufzubauen. Es war ein altes Zelt, darum war es schwer aufzubauen und machte unsere Finger ganz rau durch die alten, schon ein wenig verrosteten Stangen. Der Nebel verdichtete sich immer mehr um uns, so dass wir uns fast nicht mehr sahen. Nach dem anstrengenden Aufbau gingen wir in das Zelt, das durch die gestaute Luft angenehm warm war und ein wenig nach Dachboden roch. Also packten wir unsere Schlafsäcke aus und rollten sie auf. Mir fiel in diesem Moment schon ein schauriges Gefühl in meinem Magen auf, das ich eigentlich sonst nicht von mir kannte. Emilia und Abigail wollten etwas essen, also entschieden wir unsere butterbeschmierten Brote zu essen und ein wenig warmen Pfefferminztee aus der Thermoflasche zu trinken. Danach schauten wir den ein oder anderen Horrorfilm und assen Süssigkeiten bis uns der Magen zusammenklebte. Dann kamen wir auf die nicht so gute Idee, Dämonen zu beschwören. Dazu sahen wir uns YouTube-Tutorials von einem gewissen May van Darkness an.

Und so fing es an....

Wir nahmen meinen blauen Schlafsack vor das Zelt und machten einen Kreis um uns mit Sand. Es hiess, er solle möglichst 360 Grad sein, denn je ungenauer, desto ungewisser war, ob es funktionierte. Also machten wir all die Äste und die herumliegenden Blätter sowie die grossen Steine weg. Als der erste Schritt getan war, zündeten wir alle eine rote Kerze an, die ich zufälligerweise mitgenommen hatte, und stellten sie in einem Dreieck auf. Abigail griff als erste zum Küchenmesser und schnitt sich eine kleine Wunde in den Finger, aus der sofort Blut quillte und die Luft nach Rost schmecken liess. Danach war Emilia dran - sie schnitt sich in den kleinen Finger und das Blut floss in kleinen Tröpfchen von ihrem Finger, dann war ich endlich an der Reihe, es schauderte mich schon, als ich das Messer in der Hand hielt, um mir in den Finger zu schneiden. Ich entschied mich für den Zeigefinger. Ich drückte das Messer ein wenig in die Haut und zog es schnell wieder heraus. Ich spürte, wie sich eine Gänsehaut auf meinem Rücken bildete und mir ein heiserer Schrei entglitt. Abigail presste mir ihre warme Hand auf meinen Mund, da es sie beunruhigte, wenn ich so schrie. Wir drückten alle aus unseren Fingern ein wenig Blut, das wir in die Kerze tröpfeln liessen, das Licht der Kerzen fing an zu flackern. Dann bildeten wir einen Kreis mit unseren Händen. Innerhalb vom Sandkreis. Wir nahmen uns an der Hand ich spürte, wie wir zitterten und unsere Hände immer kälter wurden, sobald wir mit der Beschwörung angefangen hatten. Der schwierige Teil stand aber erst noch bevor. Wir mussten versuchten, an nichts mehr zu denken, ausser einen Dämon herbeizurufen. Als ich an nichts mehr dachte, ausser an einen Dämon, spürte ich auf einmal nichts mehr, es war, als wäre ich woanders, bis mir plötzlich ein Schrei entfuhr und ich aus meiner Trance erwachte. Emilia sah einen Dämon. „Da, da hinten sehe ich etwas!", sagte Emilia. „Ich sehe nichts, das hast du dir nur eingebildet, lass uns weiter machen", sagte Abigail mit keuchender Stimme. Also nahmen wir uns wieder an der Hand und machten weiter. Ich tauchte wieder in meine Trance, in welcher ich nichts mitbekomme, als wäre ich in einer Welt ohne etwas. Ich wollte diese Beschwörung einfach vorüber haben und abbrechen, denn meine Gänsehaut wollte nicht weggehen und die anderen Hände spürte ich nicht mehr. Also brach ich das Ganze ab und sagte meinen Kolleginnen, dass es mir zu gruselig sei und ich nach Hause ginge. Sie machten keinen grossen Einwand und liessen mich nach Hause gehen.

Also packte ich meine Tasche, so schnell ich konnte und machte mich auf den Weg. Ich hörte den Bach rauschen und alles fühlte sich normal an, wieso war ich eigentlich so ein Angsthase, dachte ich mir. Ich war aber unaufmerksam und stolperte über einen grossen Stein. Als ich mich aufgerappelt hatte, sah ich hinter einem Baum eine schwarze Gestalt! Mein Herz fing an zu rasen und ich lief los! Mein Atem wurde immer schwerer und schwerer, auf einmal spürte ich eine eisige Hand, die mich berührte, also lief ich noch schneller und noch schneller…ein herabgesenkter Ast durchkreuzte meinen Weg, ich blieb mit meiner Tasche hängen, das war der Moment, in dem mich die schwarze Gestalt einholte...

Der nächste Morgen.

„Hast du sie angerufen?", fragte Emilia, als sie mit Abigail nach dem gestrigen Abend wieder zuhause angekommen war. „Ja, habe ich, aber sie kam gestern nicht zuhause an!” „Meinst du, es war wegen dem...” „Ja, ich glaube.”

Das Mädchen blieb bis heute verschwunden und man fand nur ihre Tasche an einem herabgesenkten Ast.

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